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Tagebuch (von Claudia Thieme):
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Der erste Tag - oder - Wenn das Banale zur letzten Stütze wird

17 Menschen - 12 Matratzen - tonnenweise Kabel,
Wirre Gänge, die in dunkle Räume führen
Bilderstakatto on Screen
Gesichter ohne Namen
Wohin mit Dir, und vor allem mit mir
Wie spät mag es sein
Wie lange noch
Wenn das Chaos hereinbricht
Heften wir den Blick fest auf die kleinen Dinge
Und so wird am Ende des ersten Tages leise die Frage laut:
"Wo soll ich mein Handtuch hinhängen"

Unsere Hoffnung gilt nun den Proben…

19 Uhr 32
Die Probe endet und über uns beginnt’s zu brodeln.
Hier oben ist man den Göttern näher
Ein letzter Atemzug – Jalousien scheppern – Regale fliegen
Dann reißt der Himmel sein Maul auf
und kotzt, was es zu kotzen gibt
Kurze Verblüffung – dann kommt Bewegung auf
Schotten dicht – wir gehen auf Tauchgang
Ein Bildschirm nach dem anderen erlischt
Noch zeigen die Webcams was zu sehen ist: Schatten die durch Räume flitzen
Dann ein Donnerschlag - dann Dunkelheit
Wir sind vom Netz
Ein kurzer Moment um schwarz zu sehen
In die stille Nacht hinein ein erster Lacher – zaghaft noch
Jetzt wo das Bild versagt – ist die Stunde der Sprache gekommen
Worte sind eitel. Sie lieben die Dunkelheit
Kraftvoll formiert sich der erste Satz:
„Wir sind allein.“
Ein Streichholz sucht seinen Docht - vorbei an den Kabeln dieser Welt
Verkabelt – entnabelt
Adieu High Tech

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Der zweite Tag - oder - In der Reduktion liegt die Erweiterung

600qm² Wohnfläche
450 Meter Kabel
392 Kaffeefilter
20 Gabeln
Sechs Laptops
Fünf mal drei Meter Bühnenraum
Fünf Kameras im Probenraum
Drei Geschwulst-Webcams am Körper
Drei Basilikumtöpfe
Zwei Flaschen Vodka
1 (Herren)Klo
Ein (strenges) Augenpaar ausserhalb der Probebühne
Ein einzelnes Auge frei im Raum

Die Schöpfung nimmt ihren Lauf.
Es lebe die Auflösung!

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Der 3. Tag - oder - Die Halbzeit im Visier

Es ist soweit: wir sind im Netz mit allen sechs!
Nie waren die Bilder klarer, schneller und größer und sie haben viel zu zeigen.
Längst sind die Schauspieler mit ihren Figuren per Du
Mit den Kameras vertraut als wären sie mit ihnen im Urlaub gewesen
Die Wege erstolpern wir im Schlaf
Jeder hat seinen Platz - zum Arbeiten, zum Atmen
Jetzt wo die Nischen gefunden - und der Gang wieder aufrecht
Traut man sich den Anderen näher anzuschauen
Erst wird noch ein wenig unbeholfen auf finnisch gezählt, wie damals als wir 17 waren und mit unserem Interrail-Ticket die Züge dieser Welt voll krümelten
Doch dann werden die Fragen persönlicher und es geht zur Sache Schätzchen:
"Was vermisst du hier drinnen am meisten - wen würdest du hier behalten, wenn nur einer bleiben dürfte…
Der Alkoholpegel steigt und die Enthemmung nimmt ihren Lauf.
Wenn dann das Toast zum Lappen wird - stellen wir fest, viel hat sich zu damals nicht geändert
Schon wieder sitzen wir in einem Abteil und lassen unendlich viel hinter uns
Nächster Halt: Sonntag 20.00 Uhr
Wo - wird sich noch finden…



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Der 4 Tag - oder - Wir im dritten Jahrtausend

Effizienz ist das Schlagwort unserer Zeit.
Termine - terminiert - determiniert
Leben im Timeslot - von der Konferenzschaltung bis zum Saunagang
Würden wir nicht von alleine atmen, wir legten das Atmen zusammen
Auf einen Atemzug - alles andere wär nicht rational

Hier oben über den Dächern von Berlin
Erinnern wir, was wir als Kinder wussten
Wir schlagen nicht für die Zeit - die Zeit schlägt für uns

Und so greifen wir zu - nehmen uns was uns gehört
Die Auszeit - die das Gegenteil ist.

Wir arbeiten hart, keine Frage
Aber im festen Bewusstsein: das Alles ist für einen Moment
Der erst vollendet , wenn er erlischt.

Wir sind nicht elitär - die Elfen sind verkabelt-
Das Netzt gebietet Zugang - wer Anschluss hat - kriegt Anschluss

Und doch entsteht hier etwas, was diese Räume nie verlässt
Was keine Kamera wird zeigen können
Die Aufführung neben der Aufführung
Nur für uns
Ist das Dekadenz? Ist das Luxus?
Nein - das ist Leben.



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Der fünfte Tag

Wir erinnern uns:
Einer nach dem Anderen schlugen wir am Sonntag auf –
bis sich um Mitternacht die Tore schlossen
Neugier zog uns an – Angst stieß uns ab
Mut verband uns – sich beidem zu stellen
Nun macht sich Erfahrung breit

Die Vorräte werden knapp
Die Räume enger
Mitgebrachtes verbraucht sich
Mensch wird sparsam
Mit Eitelkeit – mit Attitüden
Mit Worten

Gesang schlägt eine Brücke
Wenn er verebbt
Bleibt Raum für eine Geste
Wenn auch sie verstummt
Wird’s übersichtlich.

Was bleibt?
Ein Lächeln – eine Träne?
Wenn wir zwischen dem ersten und dem letzten Wimpernschlag
bereit sind für einen Blick
ungeschminkt auf sich und einen Andern
Einen Blick der alles sagt

Dann hat es sich doch gelohnt – oder?

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Der 6. Tag - oder - K für Katastrophe

oder
MG für Musik Gelöscht
K+K für Kamera Kaputt
ZZ TOP Zulieferer Zicken Total Ohne Plausibilität
KGB für Kein G-Burtstag oder Kein Giebel Besuch
PC Produktive Panic
SM für SchokoraMmler
und
WDZGW wenn die Katastophe zum Geschenk wird

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Der 7 Tag - oder - Was tat Gott an diesem Tag der Schöpfung?

Einige munkeln - es war nicht viel
Manche vermuten - er sah, dass es nicht gut war und wanderte aus
Viele glauben - er hat sich einfach einen runter geholt, von den Engeln, und sich ficken lassen
Nur die wenigsten wissen - dass er jede Minute zur Entspannung verwendet hat,
um gewappnet zu sein, für: Beas geniale Schöpfung

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